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Lebensmittelrecht und Ernährungssicherheit: Stabilität und Demokratie durch klare Regeln

Die Tagung „Lebensmittel.Recht.Up2Date“ von Quality Austria und SAICON informierte am 23. Oktober 2024 im Wiener Ares Tower über aktuelle und zukünftige Entwicklungen im Lebensmittelrecht. Vertreter der Lebensmittelbranche und der Behörden diskutierten wegweisende Themen, die die Zukunft des Sektors prägen.

Rechtliche Entwicklungen im Lebensmittelbereich

Unter der Moderation von Andreas Schmölzer, Sachverständiger bei SAICON, eröffnete Rechtsanwalt Markus Grube die Veranstaltung mit einem umfassenden Überblick zur Rechtsprechung. Ein dominantes Thema war hierbei die korrekte Kennzeichnung von Lebensmitteln. Im Fokus standen Fälle, in denen Abbildungen auf Verpackungen als irreführend eingestuft wurden, etwa die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Bio-Limonade. Diese war mit Fruchtabbildungen beworben worden, enthielt jedoch nur natürliche Aromen – eine Marketingstrategie, die als Täuschung der Verbraucher gewertet wurde. Ein weiteres Thema betraf den Proteingehalt von Produkten, der oftmals prominent außerhalb der Nährwerttabelle beworben wird.

Eine Neuerung steht im Bereich Wein bevor: Ab 2024 wird eine Zutatenliste verpflichtend, was zu Unsicherheiten bei Produkten führt, die Wein als Zutat enthalten. Ebenso wurden neue Urteile zur Füllmengenreduktion thematisiert. Gerichte fordern nun, dass solche Veränderungen auf der Verpackung deutlich hervorgehoben werden müssen, um Verbraucher transparent zu informieren.

Herausforderungen in der Lebensmittelüberwachung

Ulrich Busch vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Bayern (LGL) gewährte spannende Einblicke in die praktische Überwachung des Lebensmittelmarkts. Besonders problematisch waren im letzten Jahr Snack-Produkte, die über soziale Medien als „Hot Chip Challenge“ vermarktet wurden. Die hohe Konzentration von Scharfstoffen führte bei Jugendlichen zu schweren gesundheitlichen Problemen, die in manchen Fällen sogar eine Krankenhausbehandlung erforderlich machten. Hier reicht eine bloße Warnung auf der Verpackung nicht aus; Produkte mit gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffen stehen vermehrt unter behördlicher Beobachtung.

Ein weiterer Fall sorgte in der Gastronomie für Aufmerksamkeit: Teigwaren, die mit Bacillus cereus kontaminiert waren, führten zu Erkrankungen und in einem Fall sogar zu einem Todesfall. Die Sicherheit von Lebensmitteln bleibt damit eine zentrale Herausforderung, die durch strenge Kontrollen und klare Regelungen gesichert werden muss.

Einfluss des EU Green Deals auf die Lebensmittelbranche

Andreas Schmölzer von SAICON präsentierte die klimarelevanten Rechtsanforderungen des EU Green Deals und deren Auswirkungen auf die Lebensmittelindustrie. Die EU-Vorgaben zielen auf eine verstärkte Nachhaltigkeit in allen Bereichen, von der Taxonomie-Verordnung bis zur Ökodesign-Verordnung. Vor allem die „Empowering Consumers Directive“ und die geplante „Green Claims“-Richtlinie werden die Rahmenbedingungen für klimabezogene Werbung erheblich verschärfen. Damit soll Greenwashing, also das übertriebene oder falsche Bewerben von Umweltfreundlichkeit, erschwert werden.

Ein Thema mit direkter Auswirkung auf die Lieferketten ist die neue Entwaldungs-Verordnung, die ab 2025 Produkte nur noch aus entwaldungsfreier Produktion zulässt. Dieser Schritt fordert die Unternehmen auf, ihre Rohstoffe verantwortungsbewusst zu beziehen und die Umweltauswirkungen ihrer Produkte zu reduzieren. Andreas Lidauer von Hofer KG wies auf die Notwendigkeit spezialisierter Softwarelösungen hin, um die Vielzahl an Kennzahlen und Daten für die Umweltberichterstattung effizient zu erfassen und zu verarbeiten.

Verbrauchererwartungen und Konsumentenschutz

Theresa Bauer vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) erläuterte die sich wandelnden Erwartungen der Verbraucher, die immer höhere Standards bei Transparenz und Produktqualität fordern. Themen wie Preisgestaltung, Füllmenge und Produktaufmachung stehen dabei im Fokus. Bauer zeigte, dass Verbraucher zunehmend sensibilisiert sind und irreführende Darstellungen rasch erkennen. Sie forderte die Branche auf, sich an klare und verständliche Informationsstandards zu halten, um das Vertrauen der Konsumenten zu erhalten.

Sonja Lackner von der Meduni Graz verdeutlichte in ihrem Vortrag, dass vegane Alternativen ernährungsphysiologisch oft nicht mit tierischen Produkten mithalten können und daher auch keinen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten. Gleichzeitig zeigt die Forschung, dass KI-Anwendungen in der Lage sind, Prozesse zu optimieren und etwa Etiketten in Fertigungsprozessen zu überwachen. Dies sei ein wertvoller Beitrag zur Lebensmittelsicherheit, so Thomas Delissen von der FH St. Pölten. Dennoch bleibt die inhaltliche Interpretation von Etiketten – ob diese rechtskonform sind – eine Herausforderung für KI.

Tierwohl als zentrales Thema in der Lebensmittelindustrie

Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Tagesordnung war das Tierwohl. Markus Grube stellte die Situation in Deutschland vor, wo Tierwohl-Kennzeichnungen teilweise bereits freiwillig umgesetzt werden. Auch in Österreich werden Systeme für eine transparente Darstellung der Haltungsform und des Tierwohls entwickelt. Simon Lindenthaler von Lidl Österreich betonte, dass die Haltungsform nur ein Teilaspekt des Tierwohls ist. Ein umfassendes Konzept müsse zudem Aspekte wie Transportbedingungen und Schlachtmethoden berücksichtigen. Dies ist entscheidend, da Verbraucher zunehmend bereit sind, für Produkte mit höherem Tierwohlstandard mehr zu bezahlen.

Fazit: Lebensmittelrecht und Ernährungssicherheit als Stützen der Demokratie

Die Tagung „Lebensmittel.Recht.Up2Date“ zeigte eindrucksvoll, dass Lebensmittelrecht weit über die Einhaltung von Vorschriften hinausgeht. Es spielt eine zentrale Rolle für die Ernährungssicherheit und die gesellschaftliche Stabilität. Transparente und verlässliche Regelungen fördern das Vertrauen der Konsumenten und stützen somit indirekt auch die Demokratie. Während die EU mit ambitionierten Gesetzen wie dem Green Deal auf eine nachhaltige Zukunft hinarbeitet, ist es die Verantwortung der Lebensmittelbranche, diese Vorgaben in die Praxis umzusetzen und gleichzeitig den Anforderungen der Verbraucher gerecht zu werden.

 

Hanna Schreiber, Expertin für Carbon Management und Life Cycle Assessment, Umweltbundesamt
Hanna Schreiber, Expertin für Carbon Management und Life Cycle Assessment, Umweltbundesamt Bild: Anna Rauchenberger
Andreas Schmölzer (Sachverständiger, SAICON consulting), FH-Prof. Thomas Delissen (Stellvertretender Studiengangsleiter Data Intelligence, FH St. Pölten), Andreas Lidauer (Leitung Nachhaltigkeit, Hofer KG), Wolfgang Leger-Hillebrand (Leitung Branchenmanagement Lebensmittelsicherheit, Quality Austria)
Andreas Schmölzer (Sachverständiger, SAICON consulting), FH-Prof. Thomas Delissen (Stellvertretender Studiengangsleiter Data Intelligence, FH St. Pölten), Andreas Lidauer (Leitung Nachhaltigkeit, Hofer KG), Wolfgang Leger-Hillebrand (Leitung Branchenmanagement Lebensmittelsicherheit, Quality Austria) Bild: Anna Rauchenberger
Simon Lindenthaler (Leitung Unternehmenskommunikation, Lidl Österreich), Andreas Herrmann (Bereichsleiter Landwirte Rind und Schwein, Agrarmarkt Austria Marketing GmbH), Wolfgang Leger-Hillebrand (Leitung Branchenmanagement Lebensmittelsicherheit, Quality Austria)
Simon Lindenthaler (Leitung Unternehmenskommunikation, Lidl Österreich), Andreas Herrmann (Bereichsleiter Landwirte Rind und Schwein, Agrarmarkt Austria Marketing GmbH), Wolfgang Leger-Hillebrand (Leitung Branchenmanagement Lebensmittelsicherheit, Quality Austria) Bild: Anna Rauchenberger

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